SPIE RODIAS – Die Maximo Experten – Teil 3:
Freischaltungen mit IBM Maximo
Was genau versteht man unter einem Freischaltprozess in der Energiewirtschaft, insbesondere für Unternehmen, die eigene Kraftwerke betreiben?
Der Freischaltprozess stellt in einer technischen Anlage die Voraussetzungen für das sicherere Durchführen von Instandhaltungsarbeiten an einer technischen Komponente her. Dazu werden beispielsweise Sicherungen gezogen, Schieber betätigt und physische Kennzeichnungen angebracht. Nach Sicherstellen des geplanten Freischaltzustands findet die Durchführung der Instandhaltungsarbeit statt. Anschließend werden Rücksicherungsschritte durchgeführt, um den Anlagenteil wieder in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Es besteht eine enge Verbindung zwischen auftragsbezogener Arbeit und der Freischaltung.
Warum ist das Thema Freischaltung sicherheitskritisch und welche Risiken bestehen, wenn es nicht korrekt durchgeführt wird?
Wenn die Arbeiten nicht richtig und unter sicheren Bedingungen durchgeführt wurden, z. B. wenn die Pumpe noch unter Spannung steht und ein Arbeiter versucht, den Motor zu entfernen, kann dies zu einem tödlichen Unfall führen. Um derartige Unfälle zu vermeiden, existiert der Freischaltprozess als strukturierte Sicherheitsmaßnahme.
Welche regulatorischen oder gesetzlichen Anforderungen müssen Unternehmen in Deutschland oder international bei der Freischaltung beachten?
Allgemein gelten folgende Gesetze bzw. Regelungen:
- Jeder Arbeitgeber muss die notwendigen Maßnahmen für die Arbeitssicherheit vornehmen – in Deutschland im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) geregelt
- Die Festlegungen der Deutschen Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV
Welche Herausforderungen gibt es aktuell in der Branche bei der Umsetzung solcher Prozesse?
Der Prozess kann nicht vollständig automatisiert werden. Es sind immer noch Menschen erforderlich, um bestimmte Kontrollen durchzuführen oder die Arbeit zu erledigen. Bei dem aktuellen Zustand typischer Anlagen muss man sowohl mit bereits digital angesteuerten Komponenten als auch mit nur durch Menschen bedienbaren Komponenten umgehen können.
Eine konkrete Ausprägung ist tief integriert in die Abwicklung des Instandhaltungs- bzw. Auftragsprozesses. Das Werkzeug muss von den Nutzern sehr gut verstanden werden, da sie diejenigen sind, die konkrete Freischalt-Prozessschritte definieren. Maximo unterstützt die Spezialisten bei Ihrer Arbeit, das Know-how zu der jeweiligen Anlage kommt natürlich von den Mitarbeitern selbst. Folglich muss eine Lösung den konkreten Freischaltprozess des Betriebs gut abbilden und den Mitarbeitern eine fehlerfreie Bedienung erleichtern.
Wie könnte ein digitaler Freischaltprozess mit Maximo umgesetzt werden? Welche Module oder Komponenten von Maximo wären hier besonders relevant?
IBM Maximo bietet bereits im Standard eine Unterstützung für die grundlegenden Freischaltprozesse. Auch für Freischaltdurchführung direkt durch den Instandhaltungstechniker selbst bietet Maximo eine schlanke Lösung.
Mit den Maximo-Zusatzmodulen wie HSE und Nuclear gibt es dann Unterstützung für ausgefeiltere Freischaltprozesse, die z.B. eine 4-Augen-Kontrolle oder Konfliktprüfung mit abbilden.
Die Möglichkeiten zum Customizing ermöglichen darüber hinaus auch kundenspezifische Optimierung zur Unterstützung der Freischaltungsplanung. So kann man z.B. die Granularität der Freischaltung steuern (welche Anlagenbestandteile zusammen abgesichert werden) oder die Auswahl der Schalthandlungen bei bestimmten Anlagenteilen auf Basis üblicher Praxis empfehlen.
Welche Vorteile bietet die Durchführung des Freischaltprozesses mit Maximo im Vergleich zu manuellen oder bisherigen Lösungen?
Unterstützt man den Freischaltprozess mit Maximo, kann man einen deutlich besseren Informationsfluss erzielen. Bei der Planung können die im Maximo strukturiert zu den Anlagenkomponenten abgelegten Freischalt-Informationen genutzt werden und bereits Konflikte mit anderen Arbeiten erkannt werden, selbst wenn diese noch in Planung sind.
Bei der Durchführung kann in Kombination mit mobilen Geräten ein zeitnah aktualisierter Anlagenzustand geführt werden. So kann sich zum Beispiel ein Schichtleiter schnell ein Bild von den aktiven Freischaltungen und laufenden Arbeiten machen. Hierdurch können beispielsweise redundante Freischaltarbeiten erkannt und vermieden werden.
Wie können Unternehmen die Lösung an ihre individuellen Anforderungen anpassen? Gibt es branchenspezifische Besonderheiten, die beachtet werden müssen?
Die gute Anpassbarkeit von Maximo erlaubt es, auf die Besonderheiten der kundenspezifischen Anlagen einzugehen. Falls z.B. der Freischaltprozess des Anlagenbetreibers nicht mit dem standardmäßig vorgedachten Maximo-Prozess übereinstimmt, kann der Maximo-Prozess angepasst oder sogar ersetzt werden.
Wie würde der Freischaltprozess in der Praxis funktionieren?
Ein Arbeitsauftrag wird erstellt mit einer Auflistung der zu erledigenden Aufgaben und aller möglichen Gefahren und Vorsichtsmaßnahmen, die ergriffen werden müssen. Wenn der Arbeitsauftrag fertig gestellt wurde, wird die Arbeitsfreigabe aus diesem Arbeitsauftrag heraus erstellt. Diese Arbeitsfreigabe würde die Liste aller Komponenten (Anlagen) mit Bedingungen wie ausgeschaltet, eingeschaltet, angeschlossen, abgenommen, offen, geschlossen usw. enthalten.
Mit der Konfliktprüfung wird die Planung auf Inkonsistenzen geprüft. Im Folgenden werden die Freischaltanweisungen an die Durchführenden ausgegeben.
Nach Sicherstellen des geplanten Freischaltzustands findet die Durchführung der eigentlichen Instandhaltungsarbeit statt.
Anschließend erfolgen die Rücksicherungsschritte, mit denen der Anlagenteil wieder in einen betriebsbereiten Zustand gebracht wird.
Wie wichtig ist eine durchgängige Dokumentation und Nachvollziehbarkeit für Betreiber und Aufsichtsbehörden?
Eine solche durchgängige Dokumentation ist extrem wichtig. Denn im Schadensfall kann es um Haftungsfragen von für das betroffene Unternehmen existenzieller Höhe gehen.
Ist in der Automatisierung und Digitalisierung von Freischaltprozessen ein allgemeiner Trend innerhalb der Energiewirtschaft zu erkennen?
Diese Prozesse sind bei Großanlagen schon weitgehend digitalisiert, können aber weiter optimiert werden (z.B. Vermeidung unnötiger Laufwege, weniger Papierdokumente). Bei Fieldservice-Prozessen ist das Vorgehen häufig noch recht wenig IT-seitig unterstützt. Hier kann der Techniker bei einem Einsatz von Mobilgeräten vor Ort unterstützt werden, indem er die relevanten Informationen für die Freischaltung gebündelt erhält.
Welche weiteren Innovationen oder Weiterentwicklung sind in diesem Bereich zu erwarten?
Zu erwarten ist eine deutlich breitere Anwendung von mobilen Applikationen. Der Freischaltbereich ist aufgrund der sicherheitskritischen Natur des Themas da eher konservativ. Richtig eingesetzt, wird eine weitergehende Digitalisierung der Freischaltung den Informationsstand der Beteiligten genauer und aktueller machen. Dadurch werden Arbeits- und Anlagensicherheit verbessert.